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23.10.05

Und der Himmel so weit

Wie weit der Himmel ist, was wir als strahlende Sterne, als kühlen Mond und als wärmende Sonne wahrnehmen, kann die Wissenschaft uns ziemlich genau erklären. Aber, ist der Himmel nicht weiter, unendlich weit in der individuellen Wahrnehmung eines jeden Menschen? Der Tod wird den Menschen bei der Geburt als ungeliebtes Geschenk mit in die Wiege gelegt, als eine unabwendbare ungewollte Zielvorgabe. Die Auseinandersetzung mit dem unweigerlich eintretenden Lebensende wird oft auf morgen verschoben. Der Himmel, ja der Himmel, vielleicht … Was aber, wenn das Schicksal plötzlich

ein dunkles Tal bereit hält, Krankheit, Schmerz und Verzweiflung? Mit dem Fortschritt in der Medizin ist vieles anders geworden, vieles mehr machbar. Das wirft Fragen auf: müssen Patienten leiden, Menschen unwürdig dahin vegetieren? Wie weit ist für sie der Himmel?
Wir brauchen in unserer Gesellschaft, auch angesichts der demographischen Entwicklung, eine breite Diskussion darüber, ob Palliativstationen und Hospize an die Krankenhäuser angegliedert werden sollten oder auch als selbstständige Einrichtungen entstehen können. Oder hilft da die vom Verein „Dignitas“ angebotene todbringende Medizin als Sterbehilfe? Darf der Mensch über sich selbst bestimmen? Zu lange schon wird der Tod aus dem Bewusstsein unserer Gesellschaft ausgegliedert.
Sabine Borchers meint: Nur die Liebe macht das Leben lebenswert, die vielen Formen der Liebe, zu denen auch die Nächstenliebe oder das sich Kümmern um den Mitmenschen gehört, so dass er in Würde leben und sterben kann.

Veröffentlicht von Sabine Borchers am 23.10.05 16:40
Kommentare

"Sterben dürfen", das ist derzeit noch vermientes Gelände in Deutschland. Das Thema hat jedoch in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen, vor allem durch die Möglichkeiten der "technischen" Medizin.
Heute ist es möglich Menschen, die früher keine Chance hatten, zu überleben, am Leben zu erhalten bzw. ins Leben zurück zu holen. Das kann je nach Fall ein Segen sein oder ein Fluch. In vielen Fällen wird das Menschleben zur Geisel der lebenerhaltenden Systeme. Obwohl der Tod unausweichlich ist, wird das Individuum gnadenlos am Leben erhalten. Es könnte vielleicht noch eine Chance bestehen, sich das Blatt wenden. Menschen liegen teils jahrelang, abhängig von den Maschinen. Man lässt sie nicht gehen, gewährt ihnen nicht den Tod in Würde. Warum?
Es sprechen viele Gründe dagegen, ein Leben aufzugeben. Einmal ist es der Ethos der Ärzte. Leben gilt es nach dem Eid des Hippokrates zu bewahren. Jeglicher Gedanke an anderes verbietet sich so, verstößt gegen diese Regeln, muss Folgen für den Arzt haben.
Dann ist es die rechtliche Seite. Der Mensch ist selbstbestimmt, kann also eigentlich über sein Leben verfügen in jeglicher Weise. Was aber, wenn er nicht mehr in der Lage ist zu verfügen oder seinen Willen umzusetzen in Taten?
Auch der christliche Glaube spricht gegen die Aufgabe eines Lebens, auch wenn sie selbstbestimmt ist, und bestraft den, der dagegen verstößt.
Und letzten Endes bleibt auch die Frage, wer entscheidet, wenn es zu entscheiden gilt?

In Deutschland sind wir noch ziemlich weit davon entfernt, eine vernünftige Lösung praktizieren, wenn es um das Leben und Sterben in Würde geht. Andere Länder sind da deutlich weiter. Bei allen Diskussionen sollte immer der Mensch im Mittelpunkt stehen. Sichergestellt muss in jedem Fall sein, egal welche Lösung gefunden wird, dass kein Missbrauch getrieben werden kann.
Erste Ansätze, wie sie mit Patientenverfügungen, Palliativstationen und Hospizen bestehen, machen Hoffnung, dass eine Lösung möglich ist, wenn alle rechtlichen, religiösen und ethischen Hürden überwunden sind und dieses sensible Thema aus dem derzeitigen Graufeld gerückt worden ist.

Veröffentlicht von: Dirk Thiede am 23.10.05 20:24

Es ist ein Grat auf dem sich diese Disskussion bewegt. Die jüngste Geschichte unseres Landes, das Dritte Reich, verbaut uns bei diesem Thema eine normale Grundlage. Immer wird sofort bei dem Wunsch, nicht mehr unter unwürdigen Umständen, weiterzuleben, der Aspekt unserer jüngsten Geschichte eingebracht. Als erstes wird daran gedacht,dass wir Euthanasie im Dritten Reich zugelassen haben. Auf der anderen Seite ist es schon richtig, sehr vorsichtig mit diesem Thema umzugehen, denn nach welchen Kriterien soll dem Wunsch Sterben zu wollen entsprochen werden? Es sollte wirklich nur das Wohl und Weh des Menschen im Mittelpunkt stehen. Wir haben die Verbindung Leben und Tod zerschnitten, deswegen fehlt uns inzwischen der richtige Bezug zu diesem Thema. Die Gemüter erhitzen sich, ergehen sich in Moralvorgaben, das nützt dem eigentlichen Anliegen nicht unbedingt. Es wird Zeit, da stimme ich zu, dass endlich einmal zu diesem Thema in andere Länder geguckt wird und eine möglichst sachliche Diskussion in Gang kommt, die dann auch gangbare Lösungen für die Betroffenen selbst, aber auch für die zwangsläufig in den Prozess integrierten Personen annehmbar sind. Muss ein Mensch im 21.Jahrhundert an den "Wohltaten" der Apparatemedizin zerbrechen?

Veröffentlicht von: Anne Linde am 06.11.05 18:57

Dem was Dirk und Anne schreiben, stimme ich zu. In Deutschland hinken wir hinterher, was sowohl die Auseinandersetzung mit dem Tod, als auch die Auseinandersetzung mit dem Wunsch sterben zu wollen, wenn uns das Leben individuell bei einer schweren bis zum Letzten austherapierten Krankheit zu einer Last wird. Wie Dirk schreibt, wären diese Menschen ohne die heutige Apparatemedizin früher gestorben. Ein anderer Gesichtspunkt über den unsere Gesellschaft im Zusammenhang mit dieser Thematik nachdenken sollte, ist die Schmerztherapie. Wie ich in der heimischen Presse Ende Oktober las, schätzt Dr. Robert Volk, der im Hospiz in Altenhundem arbeitet, dass 50-70% der Schmerzpatienten nicht ausreichend versorgt würden. In der Palliativmedizin, in der seit zwei Jahren ausgebildet würde, gäbe es bislang nur drei Lehrstühle. Dr. Volk im O-Ton:"Wir hinken im EU-Durchschnitt hinterher und sind Weltmeister im Morphium sparen."
Eine andere interessante Argumentation erfuhr ich von einem Zahnarzt, der meinte, dass bei einer Abtreibung ein Gespräch reichte, um eine Entscheidung zu treffen. Bei einem Menschen, der nicht mehr mit einer aussichtslosen Krankheit leben wolle, würde so ein Riesentheater veranstaltet. Natürlich müsste schon herausgefunden werden, ob es auch sein wirklich ernsthafter Wille sei und nicht eine Augenblickserscheinung. Dieses könnte doch ebenso in einem Gespräch erörtert werden, das zu einer Entscheidungsfreiheit führt.

Veröffentlicht von: Sabine Borchers am 13.11.05 19:18